N.W. Wasiljev (Russland) Zum 90. Jahr des Tunguska-Meteoriten

Seitjenem 30. Juni 1908 sind 90 Jahre vergangen, als der beruhmte Tunguska-Meteorit, eine der Naturerscheinungen unseres Jahrhunderts, die Erde erschütterte.

Dem Tunguska-Meteoriten sindviele Bucher, hunderte Artikel, Reportagen und Erzählungen gewidmet. Darüber warden Dokumentar-und Fernsehfilme gedreht. Diese Naturerscheinung wird gem von Schriftstellern und Journalisten erwähnt. In unserem Landfindet man kaum einen Menschen, der keine Kenntnisse tiber dieses Ereignis hat. Gleichzeitig gibt es keinen Menschen, der behaupten kann, daß er genau weiß, was damals in Wirklichkeitpassiert ist.

Es wird manchmal dargesteilt, daß viele Hypotheses zur Erklärung der Natur des Tunguska-Meteoriten vorliegen. Von einem Fachmann werden etwa 120 Hypothesen genannt. Das stimmt nicht, weil nicht jede kluge Überlegung oder interessante Version kann als Hypothese bezeichnet werden, da sie mindestens den Fakten entsprechen muß. Deshalb ist es wichtig, den tatsächlichen Komplex von Problemen zusammenhangend zu betrachten, bevor die Natur dieses Ereignis wiederholt und so auf ihre Weise löst.

Die Himmelserscheimmg, die als Tunguska-Meteorit bezeichnet wird, ist am 30. Juni 1908 in Mittelsibirien gesehen worden. Dabei wurde ein großer Teil dieser Region von diesem Ereignis erfaßt. Die Erscheinung ist wie folgt abgelaufen.

Gegen 7.00 Uhr in der Friih erschien am klaren Sommerhimmel ein leuchtendes Objekt, dessen Form einem Zylinder oder Balken ähnlich war und dessen Helligkeit mit der Sonne verglichen werden konnte. Das Objekt näherte sich der Erde von der Sonnenseite auf etwa gleicher Höhe, wahrend die Sonne selbst fast genau im Osten stand. Der Himmelskörper mit einem Leuchtschweif iiberquerte dormernd den Himmel und verschwand am Horizont. In den Häusern zitterten die Fensterscheiben, bewegten sich hangende Gegenstände, die Angara zeigte hohe Wellen. An der Stelle, wo das Objekt verschwunden war, leuchtete der Himmel nach den Worten von Augenzeugen auf und doit erschien eine Rauchwolke. Danach erfolgte erneut ein gewaltiger Dormer und weit vom Explosionsort, so z.B. in den Siedlungen an der Angara, bebte die Erde. Der Donner durch den Meteoriten war so stark, daß bei der Transsibirischen Eisenbahn der Zug angehalten wurde, dessen Lokomotiv-führer wegen dieser gewaltigen Explosionen eine explosionsartige Zerstörung seiner Lokomotive vermutete. Wegen dieses Meteoritenereignisses wurde die russische Bevölkerung an der Nishnaja Tunguska und an der Angara von panischer Angst erfaßte Einige Menschen, die von den Schlachtfeldem Mantschuriens zurückgekehrt waren (seit der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges waren nur 3 Jahre vergangen), vermuteten, daß die Japaner die Gebiete an der Angara überfallen hätten.

Bedeutend mehr Verwimmgen erregte der Meteorit in den entfernten Gebieten der Taiga, wo Ewenken das Gebiet zwischen Podkamennaja und Nishnaja Tunguska besiedelten. Zum Glück waren genau in diesem Moment keine Menschen am Katastrophenort. Die nächste ewenkische Siedlung war über 20 km davon entfernt. Sogar in dieser Entfernung schleuderte die Explosion Nomadenzelte in die Luft, warf Hunde nieder, schlug Hirsche tot und riß Menschen zu Boden.

Es stellte sich später heraus, daß dieser Meteorit in etwa 7 km Höne über der Erdoberflache in Richtung Nordosten von der Faktorei Wanavara, die heutige Siedlung Wanavara im Zentrum des Tunguska-Tschunski-Bereiches im autonomen Ewenkengebiet explodiert war. Die Explosionswelle verwüstete 2150 km2 Waldflächen voilständig oder teilweise. 200 km2 Wald verbrannten, wobei der Waldbrand durch blitzartige Leuchterscheinungen entstand.

Die durch den Tunguska-Meteoriten erzeugte Drackwelle ging um den ganzen Erdbaii und wurde von mehreren Observatorien verschiedener Länder registriert Das durch den Meteorit verarsachte Erdbeben wurde nicht nur in Irkutsk, Taschkent und Tiflis sondern auch in Berlin registriert. Außerdem wurde eine rnagnetische Störung etwa 5 Minuten nach der Explosion in Irkutsk registriert, die uber 4 Stunden andauerte. Hinsichtlich ihrer Kenngrößen glich sie dem Sturm des Magnetfeldes der Erde nach groBen atomaren Explosionen.

Die Katastrophe am Fluß Tunguska fand in alien Ländern Beachtung. Auf einem großen Terriforium wurde es dunkel. Das wurde begrenzt im Osten durch den Jenissej, im Süden durch die Linie Taschkent - Stawropol - Sewastopol - in Sudwestfrankreich durch Bordeaux, im Westen durch die westliche Küste des Atlantischen Ozeans. Während 3 Tage vom 30. Juni bis zum 2. Juli waren hier "helle" Nächte, die an die weißen Nächte im Norden Europas erinnerten. Die ganze Nacht hindurch konnte man Zeitung iesen. Dabei ging das Licht insbesondere von sehr hellen Wolken aus, die in 80 km Hohe am Himrnel standen. Die riesige Wolkendecke erstreckte sich uber Westsibirien und Europa. Außerdem wurden auf diesem Territorium auch andere optische Anomalien beobachtet: helle "bunte" Morgen- und Abendröte, Kranze um die Sonne, stellenweise verringerte atmosphärische Sicht, die im August Kalifornien erreichte und offensichtlich durch das Verstauben der Atmosphäre infolge der Explosionsprodukte des Meteoriten erklärt wurden. Man hatte alien Grand anzunehmen, daß der Absturz eines Meteoriten auch die südliche Halbkugel beeinflußt hatte: jedenfalls wurde gerade an diesem Tag das gewaltige Polarlicht in sonderbarer Form beobachtet und später von den Teilnehmern der Südpolexpedition unter der Leitung von Shecleton beschrieben. In jenen Tagen wurde viel über den Tunguska-Meteoriten in sibirischen Zeitungen geschrieben. "Helle" Nächte versetzten nicht nur die rassische und europäische Presse, sondern auch Wissenschaftler in anderen Ländern in Aufregung. Wie es sich nachträglich herausgestellt hatte, berichtete dartiber sogar die rassische Polizeibehörde von der Angara. Leider fand diese Himmelserscheinung keine besondere Beachtung bei ftihrenden wissenschaftlichen Institutionen, darunter auch nicht bei der Russischen Akademie der Wissenschaften. Und daher wurde das Ereignis über den sibirischen Boliden zu den Akten gelegt.

Das nächste Kapitel in der Geschichte zum Tunguska-Meteoriten begann nur 20 Jahre später und war mit dem Begründer der Meteoritenkunde in der UdSSR Leonid Alexejewitsch Kulik verbunden, der einige heldenhafte Expeditionen organisiert und geleitet hat. Ihm war es gelungen, nicht nur den Fakt des Meteorabsturzes im Jahre 1908 zu bestätigen, sondern auch den Explosionsort zu fmden.

Über Kuliks mit Dramatik und Romantik erfüllte Expeditionen, die unter sehr schweren Bedingungen verliefen, wurde viel geschrieben. Und sie hatten es auch verdient. Ihr Expeditionsleiter L.A. Kulik erwarb sich auch Achtung als ein talentierter Mensch mit unerschöpfiicher Energie und großer Willenskraft. Wie schon erwähnt wurde, hatte Kuiik die Absturzstelle des Meteoriten gerunden. Außerdem begann er diese Gegend systematisch zu untersuchen. Leider ermöglichte damals das Niveau der Informationen über Meteoriten nicht, das Ereignis in vollem Umfang seiner Kompliziertheit zu erfassen.

Diese Erscheinung wurde zuerst als ein gewöhnliches Ereignis beim Niedergang eines Meteoriten eingeschätzt. Es war eben der Flug des Tunguska-Meteoriten mit dem ZusammenstoB seiner grofien Bruchstücke mit der Erde sowie die Entstehung von Meteorkratern, die den Flug beendeten. So geschah es zum Beispiel auch in den USA im Gebiet von Arizona, wo ein nicht besonders groBer Asteroid die Erde streifte. Dadurch entstand ein Meteorkrater mit 1,5 km Durchmesser und 100 m Tiefe. AUe Anstrengungen der von L.A. Kulik geleiteten Expeditionen wurden nur auf die Entdeckung der Krater, auf Ausgrabungen und auf die Suche der Meteorsteine gerichtet. Damals fiel es niemandem ein, daß in Wirklichkeit der Meteorit in der Luft in 7 km Hohe explodiert sein könnte. daß große Meteorsteine nicht auf die Erde fielen, d.h. kein Meteorabsturz erfolgte und daß diese kosmische Erscheinung einen überaus komplizierten und bis heute nicht verstandlichen Charakter behielt. Daher waren L.A. Kuliks heldenhafte Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Die von ihm unternommenen Ausgrabungen und Bohmngen in den o'rtlichen Sümpfen fielen negativ aus. Daher wurde die weitere Finanzierung von Expeditionen abgelehnt. Inzwischen waren gerade diese negativen Resultate viel wichtiger und interessanter als die vermuteten positiven Ergebnisse, weil sie einen Überraschungseffekt enthielten, der auf die besondere Natur des Tunguska-Meteoriten hinwies. L.A. Kulik vermutete das wahrscheinlich und lenkte 1938 alle Anstrengungen auf die Erforschung des Absturzortes. Er erweiterte den Tatigkeitsbereich und plante, diese Arbeit in den Jahren 1941 bis 1942 fortzusetzen. Aber sein Schicksal hat es anders entschieden. Der zweite Weltkrieg brach aus. L.A. Kulik ging an die Front und starb in deutscher Kriegsgefangenschaft während der Verteidigung Moskaus im Winter 1941. Am Absturzort des Tunguska-Meteoriten wurden die Arbeiten im Epizentrum eingestellt. Erst Ende der 40er Jahre lenkte der Niedergang des Sichote-Alinskij-Meteoriten im Fernen Osten die Aufmerksamkeit der Wissenschaftler vom Tunguska-Meteoriten ab. Der Nachfolger von L. A. Kulik war S.L. Krinow. Er zog 1949 in seinem Buch "Der Tunguska-Meteorit" Bilanz über diese Etappe. Danach begann die Wissenschaft, die Tunguskakatastrophe zu vergessen.

Im Jahre 1946 trat eine Wendung in der Geschichte dieses Problems ein. Zu jener Zeit wurden nicht nur die beiden Atombombenangriffe auf Hiroshima und Nagasaki bekannt sondem auch die mit den ersten Atomwaffenversuchen auf Versuchsgeländen verbundenen Fakten. Der berühmte utopische Schriftsteller A.P. Kasanzev, der u.a. ein talentierter Ingenieur war, verglich diese Tatsachen mit den Umstanden der Katastrophe an der Tunguska and widerlegte die Meteoriten-auffassung. Er stellte in der populärwissenschaftlichen Presse eine Hypothese vor, daß der kosmische Körper in der Atmosphere, d.h. in der Luft explodiert war und behauptete, daß die Explosion eine atomare Natur hatte. A.P. Kasanzev stellte Vermutungen an, daß es ein Raumschiff von einer anderen außerirdischen Zivilisation war. Diese Idee von A.P. Kasanzev fand einerseits einen großen Widerhall, besonders bei jungen Wissenschaftlern und verarsachte andererseits eine negative Reaktion bei führenden Vertretern der Astronomie. Die wissenschaftliche Welt war einige Jahre durch diesen Meinungsstreit charakterisiert. Manchmal iiberschritten diese Streitgespräche sogar alle in der Wissenschaft iiblichen Grenzen. Jetzt, ein halbes jahrhundert spater ist klar, daß die Hypothese von A.P. Kascanzev mindestens zwei positive Momente hatte: erstens, sie erinnerte an den Tunguska-Meteorit und zweitens, sie enthielt eine ganz vemtinftige Annahme, daß der Tunguska-Meteorit nicht auf dem Boden, sondern in der Luft explodierte. Das unterstrich noch einmal die Seltenheit dieser Erscheinung. Die Polemik dauerte 12 Jahre. Manchmal wurde sie unterbrochen, dann flammte sie von neuerm auf. Daher wurde eine neue Expedition an den Absturzort des Tunguska-Meteoriten von der Akademie der Wissenschaften der UdSSR unter der Leitung von K.P. Florenski entsendet, deren Hauptziel die Suche von kleinen Meteoritensplitter war. Dabei sollte die zu jener Zeit gesammelte Erfahrung bei der Erforschung zum Absturz des Sichote-Alinski-Meteoriten einbezogen werden.

Die Expedition, die von dem Geochemiker K.P. Florenski, einem Schüller von Akademiemitglied Wemadski geleitet wurde, untersuchte im Sommer 1958 den Absturzort des Tunguska-Meteoriten und kehrte emeut mit negativen Ergebnissen nach Moskau zurück. Der Stoff des Tunguska-Meteoriten war auch diesmal nicht gefunden worden. Jedoch brachte die Expedition andere prinzipiell wichtige Angaben mit. Der Meteorit war 1908 in der Luft explodierte Wie es sich später herausstellte, konnte die Wahrheit bei der Polemik mit den Gelehrten in der Nähe der Phantasie sein. An der Absturzstelle gab es kerne Merkmale von Metcorkrater.

Die Erkenntnis zur wirklichen Explosionsnatur des Meteoriten bedeutete den Beginn eines neuen Abschnitts in der Entwicklung der Ereignisse. Das Problem envies sich als lockende und geheimnisvolle Aufgabe und die wissbegierige Jugend, die sich unabhängig an der Tomsker Staatlichen Universität unter der Leitung von G.F. Plechanov und in der wissenschaftlichen Gesellschaft unter der Leitung des Geophysikers A.W. Solotov im Ural konzentrierte, schlossen sich dieser Lösung des Problems an.Diese zwei Gruppen setzten sich zum Ziel, die Hypothese von A.P. Kasanzev über die atomare Natur des Tunguska-Meteoriten vom wissenschaftlichen Standpunkt zu iiberprttfen und die Idee von seiner technogen-künstlichen Entstehung zu untersuchen. A.W. Solotow vertrat diese Auffassung bis zu seinem tragischen Tod im Jahre 1995, als er auf der Straße überfallen und umgebracht wurde.

Von 1959 bis heute ho'rten die Arbeiten in der Natur und die Expeditionen nie auf. Sie vereinigten sich als großangelegte Forschungsarbeit, in die moderne analytische und rnathernatische Methoden einbezogen wurden. Während der nachfolgenden 40 Jahre zeigte die öffentlichkeit ein großes Interesse an diesen Arbeiten. Folgende berühmte Persönlichkeiten des öffentlichen und wissenschaftlichen Lebens haben sich in der Nachkriegszeit an der Entwicklung des Erkermtnisstaudes beteiligt: die Akademiemitglieder Fessenkov. Arzimowitsch, Tamm, Leontovitsch, Korolev, Trofimuk, Sobolev, die Kosmonauten Gagarin, Gretschko, der Generaloberst Beregowoi und viele andere, deren Unterstutzung und Aufmerksamkeit geholfen haben, eine gewaltige Arbeit bei der Enträtselung dieser merkwürdigen Himmelserscheinung zu leisten.

Mit Recht entstehen jedoch folgende Fragen: Wodurch wirkt diese Erscheimmg bemerkenswert? Warum wird dariiber so viel gesprochen und geschrieben? Weshalb ist sie durch ihre Popularität wert, in das Buch der Rekorde zu gelangen? Warum steht sie in gefahrlicher Nachbarschaft mit solchen Problemen, wie UFO, Schneemensch, Suche nach der Atlantide und anderen Problemen? Nicht immer bringt das der Sadie Nutzen. Wollen wir keine tibereilten Schlußfolgerungen ziehen und versuchen wir, die Fragen der Reihe nach zu beantworten.

Diese Erscheimmg ist durch ihre groBe Tragweite merkwürdig. Soweit sich unsere menschliche Zivilisation erinnern kann, ist das der größte Zusammenstoß eines Himmelskörpers mit der Erde. Die Natur des K6rpers sei jetzt nicht behandelt. Es geniigt anzumerken, daB die Explosionskraft des Tunguska-Meteoriten mehr als 2000 mal die Explosionskraft der Hiroshimabombe hatte. Ware dieses Ereignis 4 Stunden später passiert, so ware der Meteorit im Gebiet von Sankt Petersburg abgestülrzt. In diesem Fall hätte die Russische Akademie der Wissenschaften dieses Problem nicht zu den Akten legen können, ohne es griindlich zu untersuchen. Ohne Zweifel hätte die Zahl der menschlichen Opfer 10000 bis einige 100000 Menschen betragen. Und die Menschheit hätte bedeutend früher Atomkriegsperspektiven kennengelernt als es in Wirklichkeit geschehen ist.

In der Geschichte der Geologie unseres Planeten gab es viele große Katastrophen, die zum Teii auch noch größer waren als die durch den Tunguska-Meteoriten. So ist z.B. bekannt, daB das Aussterben der Dinosaurier sowie anderer Tier- und Pflanzenarten, die die Erde besiedelt haben, durch den Zusammenstoß von Asteroiden mit der Erde hervorgerufen wurde. Diese Ereignisse verursachten globale ökologische Katastrophen. Ungeachtet dessen sind die Objekte, die dem Tunguska-Meteoriten ähnlich sind, nicht weniger gefährlich. Der Zusammenstoß mit großen Asteroiden erfolgt etwa einmal wahrend einiger zehn Millionen Jahre. Der "BombenangrifP der Kometen oder Asteroiden, deren Parameter mit dem Tunguska-Meteorit übereinstimmen, erfolgt häufiger, etwa einmal in dreihundert Jahren. Das kann man vermuten, falls der Tunguska-Meteorit ein Asteroid oder ein Komet war. Derzeitig kermt man tausende von kleinen Körpern im Sonnensystem, deren Orbit sich mit der Erdbahn kreuzen und deswegen potentiell gefährlich sind. Das Problem des Tunguska-Meteoriten ist nicht nur für die Wissenschaft ein interessantes Ereignis. Die Wahrscheinlichkeit fur eine solche Katastrophe, ihr Ausmaß und ihre sofortigen und späteren Folgen sind fur die Menschheit nicht weniger interessant. Daher hat das Problem des Tunguska-Meteoriten nicht nur theoretische sondern sehr wohl auch eine praktische Bedeutung, weil das Projekt zur Schaffung eines "kosmischen Schutzes", der das Erkennen von gefährlichen Himmelskörnern sowie die Verhinderang eines Zusammenstoßes ermoglichen würde, auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Führende Fachleute auf dem Gebiet der Kemenergie in Rußland sowie in den USA haben diese Problematik während zwei internationaler Konferenzen in Ekaterinenburg beraten.

Die weiteren prinzipiell wichtigen Besonderheiten des Tunguska-Phänomens sind seine komplexen Faktoren, seine Kompliziertheit und die Etappen bei seiner Untersuchung. Die Multimegatonnenexplosion am Fluß Tunguska war eine beeindrackende Episode in der Reihe der Anomalieerscheinungen, an denen der Sommer 1908 reich war. Andererseits verursachte der Absturz des Tunguska-Meteoriten eine Reihe von komplizierten ökologischen und geophysischen Erscheinungen, die bis heute nachgewiesen werden können. Es zeigt sich also bei der Tunguska-Katastrophe nicht ein abgeschlossenes Ereignis, sondern ein zeitlich ausgedehntes Ereignis mit verschiedenen Abschnitten. Daher muß man das über mehrere Generationen gesammelte umfangreiche Material als hervorragende Leistung würdigen. Dank dieser Leistungen können wir die Ereignisse, die 1908 begonnen haben und bis heute in gewisser Hinsicht nicht zum Abschluß gekommen sind, richtig und ausführlich beschreiben.  

Diese Ereignisse können in der folgenden Weise kurz zusammengefaßt werden. Ende Juni 1908 wurden in Europa imd in Westsibirien optische Anomalieeffekte in der Atmosphäre beobachtet, so z.B. helle Morgen- und Abendröte sowie leuchtende Wolken. In der Nacht zum 30. Juni, kurz nach Mitternacht (Greenwicher Zeit) erfolgte in Sibirien eine gewaltige Explosion am Himmel durch einen in die Erdatmosphäre eingedrungenen kosmischen Körper. Das Objekt bewegte sich während des Fluges hunderte Kilometer von Südosten nach Nordwesten. Während des FSuges verursachte es Sehall-, Leucht- und Erdbebeneffekte. Die Flugbahn des Körpers war sehr kompliziert. Aus einigen Angaben folgt, daß dieser kosmische Körper seine anfangs sehr flache Flugbahn (10 - 15°) in eine wesentlich steilere Flugbahn (40°) veränderte. Dabei erfolgte eine Krümmung der Flugbahn entgegen dem Uhrzeigersinn mindestens um 15°. Das Objekt explodierte in der Luft etwa 70 km nordwestlich von der Siedlung Vanovara am Fluß Podkamennaja Tunguska. Dabei wurde eine große Waldfläche von 2150 km2 zerstört. Eine oder mehrere kleinere, nicht in großer Höhe erfolgte Explosionen begleiteten die Hauptexploaion, die in 7 km Höhe stattfand. Man hatte daher alien Grand anzunehmen, daß ein nach der Explosion verbliebener Teil des Objektes den Weg nach Nordwesten fortsetzte und daß er auf der Erdoberfläche und zwar im Wald Spuren durch umgebrochene Bäume hinterließ. Das erfolgte durch die Luftdruckwelle des Meteoriten. Danach verursachte die Explosion eine Magnetfeldstorung, die in Irkutsk nach einigen Minuten einsetzte, iiber 4 Stunden dauerte und emem überirdischen Atomwaffenversuch glich.

Die Natur und der Mechanismus der Explosionen beim Tunguska-Phänomen wurden bisher nicht aufgeklärt. Es ist auch interessant, daß etwa in dieser Zeit ein hinsichtlich einiger Parameter seltsames Nordlicht von der englisch-australischen Expedition unter der Leitung von Shecelton nicht weit vorn Vulkan Erebus beobachtet wurde.

Die nächste Erscheinung nach dem Meteoritenabsturz war in der Nacht zum 1. Juli 1908, die durch eine außergewöhnlicne Helligkeit Nacht gekennzeichnetwar, Sie umfaßte,wie bereits oben erwähnt, eine sehr groBe Flache, die im Osten durch den Jenissei, im Süden durch die Linie Taschkent - Stawropol - Sewastopol -Norditalien - Bordeaux, im Westen durch die westliche Küste des Atlantischen Ozeans begrenzt wurde. Die Intensitat dieser Erscheinung ließ während der 2 nachfolgenden Tage nach, aber ihre Spuren konnte man in verschiedenen Teilen Europas bis Ende August erkennen. Eine Trübung der Atmosphäre wurde Anfang Juli in Paris und im August in den USA beobachtet. Die meisten Wissenschaftler verbanden diese Erscheinung mit dem Transport des zersplitterten Meteorstoffes in der Luft und mit reichen Niederschlägen im Vergleich zu anderen Jahren auf der nördlichen Halbkugel, die an den Bouens-Effekt (Niederschläge haben einen Einfluß auf die Meteorstrome) erinnerten, da durch das Eindringen des Meteorstaubes Kondensationskeime entstehen. Obwohl die Ozonschicht der Erde nicht beobachtet wurde, sind die Wissenschaftler durch einige indirekte Umstände darauf gestoßen, daß der Absturz des Tunguska-Meteoriten eine Stoning der Ozonschicht hervorgerufen hat, die wahrscheinlich während einiger Jahre nachweisbar gewesen ware. Die Explosion an der Tunguska hatte also Folgen wahrend der nächsten Tage, Wochen und Jahre, die beobachtet wurden. Man weiB auch, daß einige Prozesse, die durch den Tunguska-Meteoriten verursacht wurden, erst nach Jahrzehnten beobachtet werden können. Dabei handelt es sich um die okologischen Folgen der Tunguska-Explosion, die sich insbesondere in den Genstörungen bei Organismen zeigen, die das Epizentrum besiedelt haben, Dabei handelt es sich nicht um besonders große Mutationen. Die Rede ist hier von einer weniger bemerkbaren. aber für organissche Bereiche wichtige Erscheinung, die Beschleunigung des sogenannten Mikromutationaprozesses, d.h. die Vermehrung der Genvielfalt der ortsgebundenen Population für Pflanzen (bezüglich Tiere wurde diese Frage bisher noch nicht untersucht). Dieser Prozeß ist für ihre weitere Evolution aufgrund der natürlichen Zuchtwahl sehr wichtig. Der Effekt ist besonders an einigen Orten im Epizentrum sehr ausgeprägt und übertrifft die Geschwindigkeit des Prozesses gegenuber dem Kontrollwert um das 12 fache. Besonders interessant ist, daß dieser Effekt weder mit der Wirkungszone der Explosionswelle noch mit dem Wirkungsbereich des Waldbrandes von 1908 zusammenfällt. Anders gesagt, es ist ein selbständiger Effekt durch einen anderen Faktor der Explosion hervorgerufen. Im Zusammenhang damit erregt die Tatsache ein besonderes Interesse, daB der Effekt sein Maximum im Epizentrum der Katastrophe erreicht. Dabei verstärkt er sich zur Zone der Flugbahnprojektion und bildet einen sogenannten "Genkorridor".

Die andere wichtige ökologische Folge des Tunguska-Meteoriten ist die beschleunigte Wiederherstellung des Waldes. Für diese Gegend sind Wälder der 2. und der 3. Bonität typisch. Derzeitig werden sie an einigen Stellen durch Wälder der 2. Bonität gekennzeichnet. Dabei verstarkt sich dieser Effekt zur projezierten Flugbahn sowie zum Epizentrum der Explosion. Seine Grenzen stimmen weder mit der Zone des Waldbruchs noch mit den Grenzen des Waldbrandes überein.

Es gibt auch andere mit dem Ereignis von 1908 verbundene Prozesse, die noch nicht hinreichend erforscht sind. Außerdem ist es nicht ausgeschlossen, daß der Tunguska-Meteorit auch einige Genprozesse bei den Ureinwohnern beeinflusste.

Das Phänomen des Tunguska-Meteoriten ist überaus kompliziert. Wenn jemand versucht, es zu lösen, so soil er nicht nur den Flug und die Explosion des Himmelskörpers sondern auch die komplizierte Gesamtheit der dadurch verursachten Effekte interpretieren, die die Katastrophe verursacht hat und deren Angaben unterschiedlich sind.

Die dritte Besonderheit des Tunguska-Meteoriten ist das Fehlen von sichtbaren Spuren des kosmischen Stoffes, den der Meteorit hinterlassen konnte. Es sei erwähnt, daß die Energie des Tunguska-Meteoriten 10 bis 40 Megatonnen TNT betrug. Dabei wurden 10% als Lichtblitze abgegeben. Solche Energiefreisetzung konnte nur ein mit kosmischer Geschwindigkeit fliegender Asteroid oder Komet verursachen, dessen Masse mindestens 100000 Tonnen betrug. Wie können hunderttausendoder sogar mehrere hunderttausend Tonnen kosmischer Stoffe spurlos verschwinden? Am Absturzort des Sichote-Alinski-Meteoriten wurde die Gegend mit Krater und Trichter bedeckt, die durch das Fallen seiner Reststticke entstanden sind. Die Sümpfe und Böden dieses Ortes besitzen eine große Menge von mikroskopischen erstarrten Tropfen des vorher geschmolzenen Meteorstoffes.

Im Fall des Tunguska-Meteoriten wird nichts ähnliches beobachtet. Ungeachtet der seit der Zeit Kuliks unternommenen Suche nach großen Meteorsteinen und des Suchens nach Meteorstaub, ungeachtet der Hartnäckigkeit der Wissenschaftler bei ihren Feldarbeiten auf dem Territorium von 10000 km2 und ungeachtet der großen Genauigkeit bei den angewendeten Methoden erhielt man immer die gleichen Ergebnisse: in den Boden und Sümpfen des Epizentrums wurde eine kleine Menge von Meteorstaub gefunden, der auch an beliebig anderen Stellen der Erdoberfläche zu fmden ist, weil die Verbrermung der Metore in der Erdatmosphare ständig und überall erfolgt. Die Wissenschaftler haben bisher keinen kosmischen Stoff gefunden, der mit Sicherheit dem Tunguska-Meteoriten zugeordnet werden kann. Dieses Paradoxon kann durch zwei Ursachen erklSrt worden: entweder sind keine Meteorstücke (Sedimente) im Epizentrum herantergefallen, was dem gesunden Menschenverstand widerspricht oder dieser Stoff unterscheidet sich von den gewöhnlichen Meteoriten und Meteoren hinsichtlich seiner Bestandteile. Die zweite Erklärung ist glaubwiirdiger, weil nach den letzten Erkermtnissen, die die italienischen Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Longo von der Universitat Bologna bei den Tunguska-Expeditionen festgestellt haben, sind an der Absturzstelle ungewohnliche Luftaeroaole niedergegangen, die später im Harz der die Katastrophe iiberlebenden Bäume konserv'iert warden. Die Zusammensetzimg dieser Teilchen ist sehr eigenartig. Sie ist durch einen großen Gehalt an Kupfer, Zink, Gold und anderen Metallen gekennzeichnet. Das ist für kosmische Stoffe völlig untypisch. Daraus ergeben sich besondere Untersuchungen hinsichtlich Herkunft der Aerosole. Es sei auch erwähnt, daß die Tunguska-Explosion annähernd zeitgleich mit einigen großen Vulkanausbriichen auf der nördlichen Halbkugel (Ksudatscha 1907 und Katmaja 1912) erfolgte. Der Gehalt der an der Tunguska aufgefundenen Teilchen gleicht der Zusammensetzung des Vulkanstaubes. Außerdem wurden die Abweichungen hinsichtlich Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs und des Wasserstoffs in Verbindung mit einem erhöhten Gehalt an Iridium im Torf des Epizentrums gefunden. Iridium ist ein Merkmal für kosmische Stoffe. Dieser Umstand läßt hoffen, daß wir es wirklich mit dem kosmischen Stoff von 1908 zu tun haben. Aber hinsichtlich seiner Natur können wir vorläufig dieses Material sicher keiner Art der bekannten kosmischen Stoffe zuordnen. Man kann nur die Hypothese widerlegen, daß der Stoff des Tunguska-Meteoriten zu den sogenannten Kohlekondriten gehört. Das sind Meteorite, die durch geringe Härte und großen Gehalt an Kohlenstoff gekennzeichnet sind. Es wird vermutet, daß sie den Kemen von Kometen ähnlich sind, Diese Richtung  der Forschung hat große Perspektiven. Aber die Wissenschaftler sind noch nicht sicher, daß es in diesem Fall gerade urn den Stoff des Tunguska-Meteoriten geht. Es sei auch hervorgehoben, daß das Aufsuchen des Dispersionsstoffes vom Meteoriten im Epizentrum durch die geochomischen Bedingungen erschwert ist. Das ist unter anderem damit verbunden, daß der Tunguska-Meteorit über einem Territorium explodierte, auf dem ein sehr alter Palaovulkan vor 250 Millionen Jahren von Zeit zu Zeit eine große Menge von unterschiedlichen Stoffen aus dem Erdinneren herausgeschleudert hat. Das Epizentrum der Tunguska-Explosion stimmt fast ideal mit dem Zentrum des Vulkankraters iiberein. Daher ist es klar, daß beliebige geochemische Anomalien, ungeachtet ob sie einen Elemente- oder einen Isotopencharakter haben, in erster Linie nicht mit dem Meteoriten von 1908 sondera mit den Vulkanausbriichen vor iiber 200 Millionen Jahren in Zusammenhang stehen. Wegen der in der Wissenschaft notwendigen Vorsicht kann man schlußfolgern, daß am Ort der Tunguska-Katastrophe keine bedeutenden Mengen von gewohnlichern Meteorstoff gefunden wurden, der mit Sicherheit als Stoff des Tunguska-Meteoriten identifiziert werden kann. Diese Frage ist nicht einfach, und es ist noch zu früh, endgiiltige Schlußfolgerungen zu ziehen.

Was wissen wir heute vom Tunguska-Meteoriten 90 Jahre nach seinem Absturz und 70 Jahre nach Beginn der wissenschaftlichen Untersuchung dieses Problems? Wir wissen nicht mehr und nicht weniger.

Wir kennen jetzt mehr oder weniger die Energiefreisetzung bei der Explosion an der Tunguska. Urn die Karten der Zerstörungszonen, die der Tunguska-Meteorit verursacht hatte, zusammenzustellen, wurde eine große Arbeit im Verlaufe von 20 Jahren durchgefuhrt, die zur Erstellung eines Atlasses führte, nach dem die Fachleute auf dem Gebiet der großen Explosionen iiber die wichtigsten Kenngroßen des Tunguska-Meteoriten urteilen konnen. Die Analyse der Strahlungsenergie zum Tunguska-Meteoriten wurde durchgeführt. Erstellt wurden auch die Karten zur Schallausbreitung bei der Explosion. Die Erforschung der biologischen Folgen bei dieser Katastrophe wurden begonnen. Im Epizentrum wurde eine kosmochemische Isotopenanomalie von Kohlenstoffe Wasserstoff und Blei entdeckt. Das sind wahrscheinlich die "Spuren" der Tunguska-Katastrophe (siehe die Arbeiten von E.M. Kolesnikow und S.P. Golenezki). Gesammelt wurde auch eine umfangreiche Kollektion von geophysischen Angaben, die aus dem Sommer 1908 stammen und die uber die seismischen und Druckeffekte des Tunguska-Meteoriten urteilen lassen, iiber die magnetische Stoning sowie über die "hellen" Nachte von 1908.

An der Absturzstelle des Tunguska-Meteoriten ist kein gewöhnlicher Meteorstoff zu finden, der eindeutig dem Stoff des Tungsuka-Meteoriten zugeordnet werden kann. Das sind zwar negative Ergebnissen aber trotzdem sind sie von großer Bedeutung, denn sie beweisen die einzigartige Natur dieser Erscheinung. Umfangreiche Erkenntnisse liegen iiber den Ablauf der Explosion vor, begonnen wurde die Erforschung der genetischen und ökologischen Folgen der Katastrophe, die schon heute unerwartete und wichtige Resultate ergeben haben. Aber die Frage, was diese Erscheinung war, wurde bis heute nicht geklart. Um die Situation zu dieser Frage zu charakterisieren, ist es notwendig, auf die Geschichte dieser Frage nochmals einzugehen.

Wie bereits zuvor dargestellt, vermutete L.A. Kulik, daB an der Tunguska etwas geschehen ist, das dem Absturz des Meteoriten in Arizona ahnlich war. 1961 wurde es offensichtlich, daB diese Vermutung falsch war und daß der Meteorit in der Luft explodierte. Dem entsprechend wurden die wissenschaftlichen Vorstellungen verandert. Die Hypothese iiber den Meteoriten als Eisenasteroid wurde verworfen (wahrscheinlich fiir immer). An ihre Stelle ist die Hypothese uber einen Kometen fur 30 Jahre getreten, die von Akademiemitglied W.G. Fesenkow begründet und ausführlich dargestellt wurde. Dessen Vorgänger waren Schepply, Astapovitsch und Wipple. Das Eisenmodell des Kometenkernes schien sowohl den Niedergang einer großen Menge von kosmischen Stoff wie auch die Explosion in der Luft und die "hellen" Nachte hinreichend gut zu erklären. Jedenfalls gewann gerade diese Ifypothese in den folgenden 40 Jahren die Aufmerksamkeithei den wissenschaftlichen Untersuchungen, Sie diente als Leitlinie für die Expeditionen des Komitees fur Meteorite und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in den Jahren von 1958 bis 1962 unter der Leitung von K.P. Florenski, eiaem international bekannten Kosmochemiker. Er war der Sohn eines berühmten rassischen Mathematikers, Philosophen und Theologen, der während der Massenrepressionen in den 30er Jahren umgekommen war. Gerade durch diese Expeditionen wurde die Erstellimg einer ersten Karte zum Niedergang des kosmischen Stoffes auf einem großen Territorium erstellt, deren Veröffentlichung heftige wissenschaftliche Streitgesprache in den 60er Jahren verursachte. Leider zeigten eiuige Wissenschaftler eine zu große Eile, und das Problem wurde zu friih als endgiiltig gelöst erklart.

Die Situation ware in eine Sackgasse geraten, warm nicht die alternative!! Betrachtungsweisen erfoigteii, deren. Anhänger auf die Fortsetzung der Forschungsarbeiten im Epizentrum bestanden. Es kommt darauf an auch herauszustellen. daß von 1958 bis 1961 noch zwei wissenschaftliche Kollektive außer dem Komitee für Meteorite entstanden, die auch Untersuchungen zur Aufklärung des Tunguska-Phänomens durchführten. Sie arbeiteten ehrenamtlich. Das war eine Gruppe der Tomsker Staatlichen Universität, in der sich junge Wissenschaftler aus Tomsk und Novosibirsk zusammenschlössen. Seit 1958 leitete G.F. Plechanov die Arbeit dieser Gruppen und seit 1962 N.V. Vasiljev. Sie wurden später als Abteilung fur Meteorite und kosmische Stäube in Sibirien zusammengeschlossen und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR angegliedert. Hierzu gehörte auch die Gruppe des Geophysikers A.V. Solotov, die zuerst im Ural und später in Tver gearbeitet hat. Die Gruppe aus Sibirien vertrat die Auffassung, daß das Problem noch nicht gelost sei, und sie hielt es fur wichtig, weiteres Material zu sammeln. A.V. Solotov war von Anfang an der Meinung, daß es kein Meteorit sondern die Тунгусский вестник КСЭ (первый русско-немецкий выпуск) 27 Sonde von einem anderen Planeten war und daß die Explosion eine Keraexplosion war. Von A.V. Solotov stammt auch das bervorragende Buch "Die Tunguska-Katastrophe von 1908", das 1990 erschien.

So wurden die Expeditionsarbeiten 1963 im Epizentrum wieder aufgenommen. Die Gruppe aus Sibirien und die Gruppe um A.V. Solotov arbeiteten unabhängig und ohne miteinander Kontakt aufzunehmen. Der größte Teil der Ergebnisse war bei der Gruppe ans Sibirien. Sie hatte sich in erster Linie mit der Beschreibung, mit der dokurnentarischen Beweisführung zu den Spuren dieser Erscheinung befaßt, die von Jahr zu Jahr geringer werden. Die Gruppe aus Sibirien führte die Untersuchungen, die unter der Leitung von K.P. Florenski begormen wurden, zu Ende. Das sind insbesondere Arbeiten zur Kartenerstellung für den Niedergang des kosmischen Stoffes (1961-1979). Die Programme zur Untersuchung der Strahienverbrennung (V.G. Fast, D.V. Demin, 1961-1968), Suche von kleinen Dispersionsstoffen des Tunguska-Meteoriten im Torf des Epizentrams (seit 1968 bis heute), Untersuchungen zu Elemente- und Isotopenanomalien im Epizentrum (E.M. Kolesnikow, S.P. Golenezki, seit 1972 bis heute), Untersuchungen zu den biologischen Folgen (Mutationserscheinungen) der Explosion an der Tunguska (G.P. Plechanov, B. A. Dragavzev), Untersuchungen zur paläomagnetischen Veränderang der Bodeneigenschaften (A.P. Bojarkina) und weiterer Arbeitsrichtungen führten zu interessanten Ergebnissen. Zusammengestellt wurde auch ein Katalog der Augenzeugen zur Tunguska-Katastrophe, der 304 Seiten umfaßt und 700 Berichte enthält, die auch die gesamte Geschichte der Entwicklung dieses Problems enthaiten (A.F. Kovalevski, S.A. Rasin, L.E. Epiktetove) sowie die Zeugenaussagen zum Waldbrand von 1908 (L.E. Epiktetova, K.P. Kurbatski, I.K. Doroschin).

Seit 1958 wurden Arbeiten in der Natur irn Epizentrurn jährlich durchgefuhrt. Gemeinsam mit dem Komitee fur Meteorite (L.T. Sotkin) und unter Mithilfe des Rektors am Tomsker Medizinischen Institut I. V. Toropzev wurde die geophysikalische Information von 1908 in den Archiven der Observatorien und anderer wissens-chaftlicher Institutionen auch aus anderen Ländern gesammelt und systematisiert. Mit diesem Ziel wurden uber 150 Briefe mit der Bitte in viele Länder an Observatorien geschickt, Ausgangsdaten zu den Naturerscheinungen von 1908 mitzuteilen. Von mehr als 150 Institutionen wurden Antworten erhalten. Unter Mithilfe der Moskauer und der Leningrader Universität wurde auf der Basis der Lenin-Bibliothek und der Staatlichen öffentlichen Saltykov-Schtschedrin-Bibliothek in Leningrad die Durchsicht von mehr als 700 Zeitungskomplexen durchgeführt, die in verschiedenen Gebieten RuBlands herausgegeben wurden. Die Logbücher der Baltischen Flotte wurden aus den Archiven geholt und iiberpriift. Eine bedeutende Hilfe leisteten auch ausländische Fachkollegen, die zur Durchsicht der Zeitungen einbezogen wurden. Sie haben in Lateinamerika geholfen, so z.B. in Kolumbien das Rektorat der Universität in Bogota, in Grönland, das Rektorat der Universitat in Kopenhagen sowie Institutionen aus anderen Landern. So konnte erne große Datenbank zusammengestellt werden, die später in einer Monographie von N.V. Vasiliev und V.K. Schuravljov 1965 in Moskau erschien.

Das Faktenmaterial wurde systematisiert, katalogisiert, mit Computertechnik bearbeitet und veröffentlicht. Genannt seien hier die Autoren: V.G. Fast, A.P. Bojarkina, S.A. Rasin, L.E. Epiktetova, I.K. Doroschin, D.F. Anfmogenov (Tomsk) sowie D.V. Demin, V.K. Shurafljov und V.A. Vorobjov (Novosibirsk). Sie haben einen maBgeblichen Anteil an diesen Arbeiten. Außerdem arbeiteten V.P. Korobeinikov, V.A. Bronstein (Moskau), A.P. Bojarkina (Tomsk) und D.V. Demin (Novosibirsk) an Problemen der Modelierang und M.A. Zikulin, I.T. Sotkin an Problemen der experimentellen Modelierung zur Tunguska-Meteorexplosion. Die Hauptrichtung dieser Forschungsarbeiten bestand in Versuchen zur Kometermatur des Tunguska-Meteoriten. Seit 1989 wurde die internationale Zusammenarbeit erweitert. So war z.B. die Zusammenarbeit mit italienischen Wissenschaftlem unter der Leitung von Prof. D. Longo und M. Galli in der Expedition von 1991 sehr erfolgreich. Dabei wurden die Aerosole von 1908 im Harz der Baume, die die Katastrophe ilberlebten, entdeckt.

Erfolgreiche Arbeiten wurden auch zur Interpretation des geomagnetischen Effektes beim Tunguska-Meteoriten von K.G. Ivanow (Moskau), V.K. Schurafljov (Novosibirsk) und A.F. Kovalevski (Tomsk) durchgeführt.

Je mehr Erkenntnisse gewonnen wurden, um so mehr stellte es sich heraus, daß die Kometenversion nicht im Stande ist, alle Fragen iiber die Natur des Tunguska-Meteoriten zu beantworten. Bei dem Stoff, der gefanden wurde, handeit es sich zwar um Meteorstoff, aber die Analyse des Kometen Gallee zeigte, daß der Kometenstoff eine relativ hohe Dichte hatte, die der Dichte von Eis nahekommt und somit die schwer schmeizende Komponente der Kometenkerne eine beachtliche Dichte hat. Die dann entstandene These - "obwohl es ein Kormetenkern war, schmolz er und verdichtete sich dann" - war nicht überzeugend. Ernste Fragen entstanden auch bezuglieh der "hellen" Nächte von 1908, insbesondere, daB der geomagnetische Effekt bis beute Anlaß für viele Hypothesen ist.

Die ersten Veröffentlichungen zur Änderung der Flugbahn erschienen Anfang der 80er Jahre mit Veroffentlichung eines Artikels von Sekanine einem internationale bekannten amerikanischen Wissenschaftler zu Fragen kleiner Körper des Sonnensystems. Er hat die Kometenhypothese sehr kritisiert. Der nächste Schritt erfolgte in den 90er Jahren durch Veröffentlichung der Arbeiten von Chybe. Der Autor veroffentlichte Arguments, daB ein Kometenkern nicht so tief in die Atmosphäre eindringen konnte, weil er in mehr als 30 km Höhe zerstört würde. Das gleiche Schicksal erfahren auch Kohlekondrite. Ein Eisenasteroid hätte beim Zusammenstoß mit der Erde einen großen Meteorkrater verursacht, der dem Meteorkrater in Arizona ahnlich gewesen ware. Daher konnte es in Wirklichkeit nur ein Steinasteroid gewesen sein, dessen Zerstörung gerade in 8 km H3he erfolgen konnte. Das entspricht mehr oder weniger der Realität.

Anfang der 90er Jahre wurde die Asteroidhypothese in die näheren Betrachtungen einbezogen. Hierbei war ein Steinasteroid gemeint. Die Diskussion unter den Anhangern dieser Version und der Kometenhypothese stand im Mittelpimkt der Aufmerksamkeit bei intemationalen wissenschaftlichen Konferenzen, die dem Problem des Tunguska-Meteoriten gewidmet waren und die 1995 in Moskau sowie 1996 in Bologna stattfanden.

Es sei auch darauf hingewiesen, daß die Hypothese über einen Steinasteroiden nicht alle bis heute herangereiften Fragen beantworten kann. Die Hauptfrage besteht darin, daB diese Version die von E.M. Kolesnikov beschriebene Elementar- und Isotopenanomalie im Epizentrum des Absturzortes, die außer Zweifel steht, nicht erklärt werden kann.

Erstens, wird diese Anomalie durch das Zerstäuben des Kohlekondriten erklart und außerdem steht sie nicht im Widerspruch zur Vermututtg über die Kometermatur des Tunguska-Meteoriten. Sie stimmt auch nicht mit der Vorstellung über den Tunguska-Meteoriten als Steinasteroid überein. Zweitens, bleibt die Frage über das Verschwinden der mehr als 10000 Tonnen Silikataerosol, das in diesem Fall bei der Zerstörung des Tunguska-Meteoriten entstanden sein sollte, offen. Die Suche nach diesem Stoff, die wahrend der vergangenen Jahre durchgefuhrt wurde, ergab negative Resultate.

Drittens, blieb die Frage iiber den Mechanismus der "hellen" Nächte von 1908 offen, da eine Reihe von Lichtanomalien dieser Erscheinung vorangegangen sind. Und schlieBlich erklärt die Hypothese über den Steinasteroid, übrigens ebenso wie auch andere Versionen, nicht die Ursache und die Mechanismen der ökologischen Folgen der Einwirkung des Tunguska-Meteoriten und dabei auch nicht die genetischen Folgen. Anders formuliert, die Widerspriichlichkeit nimmt offensichtlich nicht ab, sondern sie nimmt zu.

Die Unbestimmtheit der entsprechenden Situation wird durch einige Momente noch komplizierter. Außerdem gibt es noch andere Überlegungen, die in der Literatur über den Tunguska-Meteoriten nicht erwähnt werden. Folgende Aspekte sind noch einmal herauszustellen:
1. Die Veränderung der Flugbahnrichtung entgegen dem Uhrzeigersinn während des Bolidenfluges in der Atmosphäre.
2. Die Ähnlichkeit der Bilder von der magnetischen Störung und des geomagnetischen Effektes bei Vergleich mit Atomexplosionen in 7 km Höhe.
3. Das Vorhandensein von besonderen Orten im Epizentrum mit maximalem Gehalt von seltenen Erden im Boden, insbesondere von Ytterbium.
4. Die Zunahme der biologischen Folgen dieser Katastrophe in Richtung zum Epizentrum der Explosion sowie der projezierten Flugbahn auf der Erdoberfläche.
5. Das Vorhandensein von Thermoluminiszenzeigenschaften in den Böden des Absturzortes, die fur das Vorhandensein einer harten ionisierenden Strahlung im Epizentrum der Tunguska-Explosion sprechen.

Betrachten wir nun diese Probleme ausführlicher. Was den ersten Punkt betrifft, die Änderung der Flugbahnrichtung und ihr komplizierter Verlauf, so wurde dieses bereits zuvor beschrieben. Dieser Fakt kann weder mit der Kometenhynothese noch mit der Version iiber einen Asteroiden erklärt werden.

Der zweite Punkt ist auch nicht einfach zu erklären, denn dieser Effekt wird durch das Auftauchen einer mit radioaktiven Stoffen gesättigten Feuerkugel während der Atomexplosion in 10 km Höhe erklärt. Im vorliegenden Fall kann die Radioaktivität nicht erklärt werden.

Was den Gehalt der in den Boden vorkommenden Seltenen Erden betrifft, so mu6 man in Betracht ziehen, daß unter dem Begriff "besonderer Punkt" des Absturzortes der Ort gemeint ist, in dem die Fortsetzung der Flugbahn des Tunguska-Meteoriten mit einem Winkel von 40° zur Erdoberfläche erfolgte. Dabei ist die Konzentration der Lantaniden nicht nur sehr viel großer, sondern auch die Korrelation der Zwiechenelemente ist verändert. Das wirft eine noch kompliziertere Frage bezüglich der Ursachen auf.

Die biologischen, besonders die genetischen Effekte sind schwer zu erklären. Dabei ist bekannt, daß die Ursache für Mutationsprozesse bei beliebigen Organismen in folgenden Fakten bestehen kann:
a) infolge ionisierende Strahlung (ist die häufigste Ursache), die mit natürlichen oder technogenen Radionukliden zusammenhangt;
b) Infolge Einwirkung von mutagenen Stoffen (einige von ihnen konnten während der Waldbrände und bei der trockenen Holzsublimalion entstehen);
c) infolge starker Erwärmung von Samen (sogenannte Thermomutation).

Die erste Ursache ist für die betrachtete Situation kaum wahrscheinlich, weil die natürlichen Himmelskörper nur in kleinen Mengen natürliche Radionuklide enthalten. Wenn die zweite und insbesondere die dritte Version glaubhaft sein sollte, so müssen die Gebietsgrenzen der genetischen Effekte mit den Grenzen des Waldbrandes von 1908 überemstimmen, was in Wirklichkeit nicht der Fail ist.

Wodurch kann die Mutation in diesem Fall im Bereich der Flugbahn erklärt werden? In der letzten Zeit wurden Erkenntnisse veröffentlicht, daß die Ursache für Mutationen außer den oben erwähnten Faktoren auch ein starker elektromagnetischer Impuls sein kann. Wenn das zutrifft, dann ist es offensichtlich, daß im Zentrum der Katastrophe ein elektromagnetischer Schlag hinreichend groß gewesen sein konnte. hi diesem Fall könnte am Absturzort eine Ummagnetisierang der Gebirge und der B6den erfolgt sein. Das speziell mit diesem Ziel in den 70er und 80er Jahren durchgeführte Forschungsprogramm gab alien Grand für eine solche Meinung. Trotzdem bleibt diese Frage bis heute unbeantwortet.

Zusammenfassend muß man feststellen, daß keine der bisher vorge-schlagenen und untersuchten Erklärungsvarianten alle Fragen zur Natur des Tunguska-Meteoriten klären konnte.

Es ist daher kein Wunder, daß in dieser Situation nicht einmal Versuche unternommen wurden, die Natur des Tunguska-Meteoriten altemativ zu betrachten. Diese Versionen waren manchmal sehr exotisch. Dazu gehört zum Beispiel die Hypothese über die Antimaterienatur des Tunguska-Meteoriten, die von dem Amerikaner La Paso Ende der 40er Jahre geauBert wurde und die in der UdSSR von Akademiemitglied Konstantinov präzisiert wurde. Eine andere Version stammt von Jackson und Rainer derart, daB der Tunguska-Meteorit ein "schwarzes Mikroloch" rnit sehr großer Masse und verschwindend kleinen Abmessungen war, das die Erdkugel "durchstochen" hat und wieder in den Kosmos südlich von Grönland gelangt sei. Es gibt auch mehrere Versuche, den Tunguska-Meteoriten durch seismische Ursachen, durch die Explosion eines natilriichen Gases, durch einen Kugelblitz und anderes mehr zu erklären. Nachfolgend seien nur 2 dieser exotischen Thesen betrachtet. Es geht urn Energophore, also um einen Klumpen Sonnenplasma, der von der Sonne herausgeschleudert wurde, und der in die Atmosphare der Erde gelangte. Diese Hypothese ist von Dmitriev und Shuravljov. Eine andere Version über den Tunguska-Meteoriten ist, daß eine technogene Konstruktion und damit ein Raumschiff von einem anderen Planeten diese Katastrophe verursachte.

Die Anfechtbarkeit der ersten Version besteht darin, daß die sichere Existenz solcher kosmischen Kugelblitze von niemandem bewiesen wurde und außerdem, daß ihr tiefes Eindringen in die Erdatmosphäre problematisch ist. Außerdem erklärt diese Hypothese nicht die Isotopenanomalie am Absturzort, die von Kolesnikow nachgewiesen wurde.

Was die Hypothese iiber die technogene Natur des Tunguska-Meteoriten und über den Kernmechanismus der Tunguska-Explosion betrifft, so besteht die Hauptschwierigkeit in der sehr geringen Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses. Das Fehlen von vernunftbegabten Lebewesen im Sonnensystem ist derzeitig von alien Wissenschaitlern anerkannt, und die Möglichkeit des Anfliegens aus anderen Sternsystomen und besonders aus den Galaxien wird wegen der sehr großen Entfernungen zwischen den Systemen nach derzeitigem Erkenntnisstand mit der Wahrscheinlichkeit von fast Null eingeschätzt. Hierbei richten wir die Aufmerksamkeit der Leser auch auf das Fehlen von großer Radioaktivitat am Absturzort. Die Suche nach Radionukliden wurde Anfang der 50er Jahre an der Absturzstelle Hbegonnen und meistens mit Verfahren durchgefuhrt, wie sie bei Atomwaffenversuchen angewendet werden. Dabei wurde auf große Strahlungsdosen orientiert.

Im Jahre 1959 waren mehr als 50 Jahre seit der Tunguska-Explosion vergangen. Während dieser Zeit waren die kurzlebigen Isotope zerfallen, die Anzahl der langlebigen Isotope, falls die Explosion des Tunguska-Meteoriten wirklich eine. atomare Explosion war, mußte von Anfang an im Zentram der Katastrophe sehr klein gewesen sein, da der Meteorit in 5 bis 8 km Höhe explodierte. Es sei auch hinzugefügt, daß die indirekten Methoden zur Suche nach der Radioaktivität des Tunguska-Meteoriten, und zwar die Methode der Thermoluminiszenz, keine negativen Resultate ergeben hat. Das Bild ist also kompliziert und läßt vorlaufig keine eindeutigen Schlußfolgerangen zu. Daß bezieht sich auch auf die Erforschung der Mutation-sursachen. Darüber wurde bereits zuvor ausfiihrlich geschrieben. Prinzipiell können ahnliche Hypothesen nicht sofort als antiwissenschaftlich verworfen werden, derm das Leben auf der Erde ist ein ausschlieBliches Attribut des Sternensystems.

Im 90. Jahr der Tunguska-Katastrophe haben wir es mit einer sehr komplizierten Situation zu tun, Einerseits liegt ein umfangreiches Wissen vor. dessen Zusammenfassung zu einern Ganzen eine schwere Aufgabe ist. Andererseits haben die Ereignisse der letzten Jahre die Wissenschaftler gezwungen, ihre Vorstellungen iiber den Charakter des Zusammenstoßes der Planeten mit den Objekten des Sonnensystems, nicht zuletzt auch durch den Niedergang des Kometen Galilei und des Kometen Schumeiker-Levi 9 auf den Jupiter zu verändern. Die Präzisierung unserer Vorstellungen tiber Kometenkerne laBt die Variante iiber die Kometen-hypothese als falsch erscheinen, insbesondere wegen der niedrigen (~0,01 g/cm3) und der extrem niedrigen (< 0,001 g/cm3) Dichte von Kometen. Daher wird die Anzahl der möglichen Versionen zwar geringer, aber noch nicht so gering, wie man es wünscht. Derzeitig ist es klar, daß das Tunguska-Phänomen eine planetare Bedeutung hat, denn die Gefahr des Zusammenstoßes der Erde mit kleinen Objekten des Sonnensystems ist fur alle Länder unserer Erde aktuell. In diesem Zusammenhang sollten sich nicht nur einzelne Länder sondern alle Lander der Erde mit der Erforschung des Tunguska-Meteoriten beschäftigen. Dementsprechend muß man soldi ein extrem selter.es Ereignis mit gewaltiger Bedeutung fur die Menschheit im Zusammenhang mit seinen katastrophalen Folgen intensiv und gründlich untersuchen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Betrachtung des Ereignisses unter dem Blickwinkel der ökoiogie seine Probleme besser verstehen läßt, die wegen der engen Betrachtung-sweise in der Astromechanik zusammenstoBender Objekte, der Theorie Kleiner und großer Explosionen und der Kosmochemie schwer zugänglich sind. Die Integration der ökologie als Wissenschaft in das Problem des Tunguska-Meteoriten gibt wahrscheinlich jene notwendige Erganzung, die als Schliissel zur Losung des Jahrhundertratsels gesehen werden kenn. Daher muß man die Entstehung eines Naturschutzgebietes im Absturzgebiet des Tunguska-Meteoriten für einen großen Erfolg der Menschheit halten. Dieses Ziel haben die Wissenschaftler 25 Jahre angestrebt, insbesondere als im Gebiet der Tunguska-Katastrophe die Erdolgewinnung drohte. Die Frage, was es dort zu schützen gibt, ist offensichtliche Der Absturzort des Tunguska-Meteoriten ist der einzige Ort auf unserer Erde, wo die Einwirkung dieses einzigartigen kosmischen Ereignisses auf die Natur, auf die Biosphäre Schritt fur Schritt während einer langen Zeitdauer beobachtet werden kann. Daher kann der BeschluB zur Schaffung eines Tunguska-Schutzparks im Jahre 1985 und die Entstehung eines Naturschutzgebietes im Epizentrum 1995 als großer Schritt zur weiteren Aufklärung der Tunguskakatastrophe gesehen werden.

Man darf auch nicht vergessen, daß es nicht nur der Absturzort des Tunguska-Meteoriten ist, sondern auch ein wunderbarer Teil der Taiga. Die Arbeiten auf kosmobiologischem Gebiet sollen harmonisch mit gleichzeitigen ökologischen Arbeiten erfolgen, die eine langzeitige Beobachtung in diesem Naturpark erfordera. Es sei auch erwähnt, daB dieses Territorium sehr weit von den Quellen lokaler tecbnogenetischer Schadstoffe entfert ist. Und gerade deswegen ist das Territorium des Naturschutzgebietes "Tunguska" ein ideales Versuchsgelande für die Erforschung der vielfaltigen Folgen radioaktiver Niederschläge, deren Ursache die Kernwaffen-versuche in den 50er und 60er Jahren sind, dabei auch auf dem Nowosernelski-Versuchsgelände. Die Messungen können Untersuchungen zur Fortbewegung der technogenen Aerosole aus Norilsk, Bratsk und Kateka einschlieBen.

Außerdem wird auf dem Territorium des Naturparks eine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit zur Erforschung der Regenerierungsprozesse nach Waldbränden fur sehr geeignet gehalten. Dabei ist herauszustellen, daB dieses Gebiet mehrmals während der letzten 100 Jahre Bränden ausgesetzt war, so zum Beispiel Mitte der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, im Jahre 1908 und in der letzten Zeit auch mehrfach von 1985 bis 1995.

Das wissenschaftliche Programm für die Forschungsarbeiten im Natürpark wird aus drei Etappen bestehen.

Die erste Etappe wird eine Erforschung der Dynamik bei den natiirlichen Prozessen im typischen Taigagebiet im Norden Mittelsibiriens enthalten. In der zweiten Etappe wird die Entwicklung der okologischen Folgen der globalen Luftbewegung mit technogenen Aerosolen unter den Umweltbedingungen der nordlichen Taiga enthalten sein.

Die dritte Etappe enthält die Erforschung der genetisch-ukologischen Folgen der Tunguska-Katastrophe.

Die Ergebnisse der Arbeiten nach den ersten zwei Etappen werden als Grundlage für die dritte Etappe angesehen. In der dritten Etappe werden außer dem Einfluß der kosmischen Faktoren, die mit dem Tunguska-Meteoriten verbundenen Faktoren auf die Taigabiozenose, d.h. auf die Natur der Taiga, auch Faktoren der Wiederherstellungsprozesse nach Waldbränden untersucht. Das hat nicht nur theoretisches sondern auch praktisches Interesse als Grundlage.

Das Naturschutzgebiet "Tunguska" enthält bereits einige Finanzmittel fur die organisatorischen Arbeiten und far die weitere ErschlieBung des Territoriums. Der Aufbau einer Station im Epizentrum (Kulik-Station) wird später zu einer historischen Gedenkstatte oder gar zu einem Museum erweitert. Die Markierung der Grenzen zu diesem Naturschutzgebiet sowie die Errichtung einer Ausgangsbasis erfolgen bereits. Die schwere wirtschaftliche Situation in unserem Land begünstigt nicht eine Beschleunigung dieser Arbeiten.

Was die Entwicklung der wissenschaftlichen Arbeiten betrifft, so wurde ihre Finanzierung noch nicht begonnen, obwohl im Epizentrum sehr umfangreiche okologische Forschungen bereits durchgefuhrt wurden, deren Ergebnisse für die Katastereinteilung des Naturparks benutzt wurden. Derzeitig wird die Entwicklung des Tunguska-Problems nicht durch den Mangel an Ideen sondern durch den Mangel an Geldmittel für ihre Realisierang gebremst. Die hohen Flugkosten, das Fehlen von Dienstreisegeldern sowie von Geldmittel für die Bearbeitung von gesammelten Proben haben zur faktischen Stillegung der Expeditionsprogramme geführt, deren Erfüllung eine grundsätzlich große Bedeutung hat, insbesondere die Programme für die Erforschung der genetischen Folgen durch die Tunguska-Katastrophe sowie die Erforschung der Isotopenanomalien im Epizentrum. Inzwischen verwischt die Zeit schonungslos die Spuren der Erscheinung. Sie verschwinden vor unserern Augen, so wie es schon mit dem umgebrochenen Wald der Fall ist, der mit der Tunguska-Katastrophe in einem engen Zusammenhang stand und ebenso auch mit den Aussagen der Augenzeugen, die diese Erscheinung erlebt haben.

Es sei herausgestellt, daß der Tunguska-Meteorit eine Planetenerscheinung war und daB die Gefahr des Zusammenstoßes mit kleinen Körpern des Sormensystems eine Gefahr aus dem Kosmos ist, Es ist daher offensichtlich, daß die internationale Gemeinschaft das Schicksal des Tunguska-Problems und das Schicksal des Tunguska-Naturschutzgebietes nicht unbeachtet lassen kann. In den letzten Jahren waren wir Zeuge einer großen Effektivität der internationalen wissenschaftlichen Kooperation bei der Erforschung des Tunguska-Meteoriten. Davon zeugt zum Beispiel die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit der Universität Bologna auf dem Gebiet der kosmochemischen Forschung. Die Entwicklung dieser Richtung hat eine große Perspektive und kann die Arbeiten zum Tunguska-Meteoriten auf ein qualitativ höheres Niveau bringen.

90 Jahre seit der Tunguska-Katastrophe und 70 Jahre seit dem Anfang der Expeditionsarbeiten im Epizentrum fallen zusammen. Was werden die nächsten und die späteren Forschungsarbeiten ergeben und warm werden die spekulativen Gedanken beendet sein?

Wir erwarten in den nächsten Jahren die Lösung folgender Fragen:
1. Untersuchungen zur Natur der kosmochemischen Isotopen- und Elementeanomalie im Epizentrum der Tunguska-Katastrophe. Die Lösung könnte ein entscheidender Schritt bei der Suche des Stoffes vom Tunguska- Meteoriten sein. Sie ermoglicht, seine Herkunft zu bestimmen.
2. Untersuchungen zur Herkunft der Silikaten- Meteorstücke und der silikaten Aerosolwolken sowie der Silikaten Aerosole, falls der Tunguska-Meteorit ein Steinasteroid war. Diese Lösung entspricht tatsächlich einer Entscheidung zwischen den Hypothesen von einem Steinasteroiden einerseits oder einem Kometen andererseits.
3. Untersuchungen zum Mechanismus der geomagnetischen Effekte des Tunguska- Meteoriten, Dieser Komnlex gehört zu den schwierigsten Fragen und enthält viel unerwartet neue Erkenntnisse. Hierzu ist es notwendig, völlig neue Verfahren zu entwickem.
4. Untersuchungen zum Mechanismus der Lichtanomalien im Sommer 1908, die 35 Тунгусский вестник КСЭ (первый русско-немецкий выпуск) mit Zusatzinformationen über die Windbedingungen in den oberen Schichten der Stratosphäre und in der niedrigen Mesosphäre verbunden sind. Es ist notwendig zu verstehen, wie das Aerosol, das während des Fluges und der Explosion des Tunguska-Meteoriten entstand, in 24 Stunden die Küste des Atlantischen Ozeans im Westen und Taschkent im Süden erreichen konnte.
5. Fur die Entscheidung zwischen der Kometen- und der Asteroidhypothese ist die Frage über den Mechanismus und die Natur der genetischen Anomalien an der Absturzstelle des Tunguska-Meteoriten von großer Bedeutung, Sie ist für das Verständnis der späten Folgen des Zusammenstoßes der Erde mit kleinen Objekten des Sonnensystems sowie fur die Einschätzung ihres möglichen Einflusses auf die Biosphäre sehr wichtig. Diese Frage hat nicht nur mit den Problemen des Zusammenstoßes in der Astronomie etwas zu tun, sondern auch mit der Theorie über Katastrophen, Das zu diesem Problem erhaltene Material kann für eine Prognose zu den Folgen sowohl bei natürlichen als auch bei technogenen Einwirkungen (z.B. bei der Katastrophe von Tschernobyl) auf die Biosphäre genutzt werden.
6. Untersuchungen zur geochemischen Anomalie (hierbei geht es um die Seltenen Erden im Boden) im Epizentrum der Katastrophe von 1908. Ihre Existenz beweist, daß keine gewöhnliche chemische Reaktion die Tunguska-katastrophe ausgelöst hat. Wie oben dargelegt wurde, wissen wir vieles darüber wie und was man an wissenschaftlichen Untersuchungen durchführen sollte. Aber wir wissen nicht, wie man die materiell-technischen Voraussetzungen für die Arbeiten finanzieren kann.

AbschlieBend ist noch folgendes anzumerken. Die Lösung des Problems zur Natur des Tunguska-Meteoriten und noch mehr der späteren Folgen dieser Katastrophe kann man nicht durch schnelle Einfälle, nicht durch das Ausdenken von exotischen und in der Regel wenig begründeten Versionen sondern nur durch die Fortsetzung der weiteren mühsamen Arbeit erreichen, die mit einer Ansammlung, Systematisierung und Analyse der Fakten verbunden ist. Daher verursachen verschiedene sensationelle und nur wenig produktive Presseerkläningen Schaden und diskreditieren dieses ernste wissehachaftliche Problem. Sie können den qualifizierten Teil der Leser nur abstoßen. Was die prinzipiellen Moglichkeiten zur Lösung dieses Problems betrifft, so gibt es keine Zweifel. Das Problem ist zwar kompliziert aber losbar. Die Lösung dieses Problems wird viel neue Erkenntnisse für die Erforschung der kleinen Körper des Sonnensystems erbringen, über ihre Evolution und ihre Bedeutung bei der Entwicklung der planetaren Bereiche darunter auch der Biosphäre.

* На русском языке статья Н.В.Васильева опубликована в "Тунгусском вестнике'" № 8, с.6 Тунгусский вестник КСЭ (первый русско-немецкий выпуск)