Prof.Dr.G.Polzer (Deutschland), Ergebnisse der ersten russisch-deutschen Tunguskameteoritenexpedition im September/Oktober 1997 und der ersten Untersuchungen an Torfproben aus dem Epizentrum

Vom 25. September bis 09. Oktober 1997 fand die erste russisch-deutsche Tunguskameteoritenexpedition im Epizentrum der Tunguskakatastrophe statt. Sie stand unter der Leitung des erfahrenen und ortskundigen russischen Geologen Vitali Woronow. Stellvertreter des Leiters und Organisator von deutscher Seite war Prof.Dr.Gottlieb Polzer mit Kenntnissen der russischen Sprache und des Landes. Prof. Polzer ist von der Ausbildung Physiker, hat auf dem Gebiet der Physik promoviert und auf dem Gebiet der Technik sich habilitiert. Er leitete seit 1975 den Lehrstuhl Tribotechnik an der Ingenieurhochschule Zwickau und wurde 1990 als wissenschaftlicher Sekretär in einen internationalen Rat auf seinem Fachgebiet berufen. Er hat eine großе Anzahl wissenschaftlicher Veroffentlichungen und auch einige Fachbücher herausgegeben und wurde 1993 als Ehrenmitglied in der Russischen Akademie fur Qualitätsprobleme gewahlt. Mit dem Tunguskaproblem befaßt er sich seit 1993.

Weitere Mitglieder dieser Expedition waren von deutscher Seite der Jurist Jürgen Arndt sowie der erfahrene Hochschulabsolvent auf dem Gebiet der Landwirtschaft Uwe Hammer. Von russischer Seite hat auBerdem noch der Physiko-Chemiker Sergei Makarenko aus Moskau teilgenommen. Alle Teihiehmer haben sich als Enthusiasten auf diese Expedition durch Studium von Fachliteratur vorbereitet und die Finanzierang erfolgte durch die deutschen Teilnehmer mit Unterstützung fur Meß- und Prüfgeräte durch deutsche Sponsoren, insbesondere durch die HILTI-Entwicklungsabteilung GmbH München, durch die Firma Motoren-Müller Zwickau und andere Firmen.

Das Expeditionsprogramm wurde von Prof.Dr.G.Polzer in Absprache mit dem Leiter V. Woronow ausgearbeitet. V. Waronow hatte die Organisation ab Wanowara mit dem Hubschrauber in das Epizentrum (zur Kulikhütte) zu flie gen, alle Genehmigungen und Formalitäten von russischer Seite zu beschaffen sowie Unterbringung und Verpflegung zu sichern übernommen.

Zu den Zielen der ersten rassisch-deutschen Tunguskameteoritenexpedition von 1997 gehörten unter anderem:
♦ Schaffung eines Fundus von Proben, Messungen und Fotos mit Videofilmen für weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere in Deutschland;
♦ Schaffung von Grundlagen für eine ständige internationale Tunguska- meteoritenausstellung;
♦ Erfrobung eines für diese Expedition von der HILTI-Entwicklungs GmbH München entwickelten Bohrers zur Entnahme von Torfproben;
♦ nachfolgende Untersuchung von Fragen zu Mutationserscheinungen bei Mikroorganismen infolge der Tunguskameteoritenkatastrophe.

Im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten waren die beiden russischen Kollegen je eine Woche bei Prof.Polzer in Deutschland und im Rahmen der Vorbereitungen auf deutscher Seite hat Prof. Polzer das Buch von F. Siegel "Das Tunguska-Phänomen" in die deutsche Sprache übersetzt und drucken lassen sowie eine Schulung mit den deutschen Teilnenmern (Enthusiasten) durchgeführt. Eine große Unterstützung erhielt diese erste russisch-deutsche Tunguskaexpedition in alien Phasen (Vorbereitung, Durchführung und Auswertung) durch die Vereinigung der Kosmonauten Rußlands, insbesondere durch Prof.Dr.J.F. Nasarow und Doz. Dr. D. Alexejew.

Die deutschen Teilnehmer flogen mit umfangreichem Ausrüstungsmaterial ab Frankfurt/Main über Moskau und Krasnojarsk nach Wanowara, wo V. Woronow auf sie wartete. S. Makarenkow schloß sich in Moskau der deutschen Gruppe an. In Wanowara gab es unerwartet große Probleme wegen der unvorhergesehenen sehr großen Preisforderungen für den Hubschrauber (im Gegensatz zu den zuvor durch V. Woronow getroffenen Vereinbarangen), so daß die Expedition deswegen beinahe hätte abgebrochen werden müssen. Daher mußten ursprünglich geplante Flüge gestrichen werden, um diese Expedition überhaupt durchzuführen. Ebenso gab es sehr große Probleme beim Ausfliegen der Expedition aus dem Epizentrum mit dem Hubschrauber, die nur mit Hilfe von Prof. Nasarow gelöst werden konnten.

Trotz der Tatsache, daß die vorgesehenen Hubschrauberrundflüge zu interessanten Orten im Epizentrum wegen der unvorstellbar hohen finanziellen Forderungen nicht durchgeführt werden konnten, wurden die Zielstellungen für diese Expedition weitgehend realisiert:

An 15 Orten wurden Bohrungen im Torf bis zu 1,05 m Tiefe vorgenommen und Torfproben für verschiedene Untersuchungen mitgenommen:
♦ im Epizentrum nach Fast;
♦ im Südmoor;
♦ imNordmoor;
♦ auf dem Kulikpfad zwischen Kulikhütte und Epizentrum von Fast.

Epizentrum der Tunguskakatastrophe

Umgebung des Sudmoors

  Exkursiotiswege der ersten russisch-deutschen Tunguskameteo- ritenexpedition Sept/Okt. 1997, insbesondere mit Foto- und Filmaufhahmen

   besichtigte und fotografisch aufgenommene kleine Epizentren 

Erklarungen zur Umgebung des Sudmoors
1 - Kulik-Hiitte
2 - Südmoor
3 - Nordmoor
4 - Eichwaidberg
5 - Stoikowitsch-Kuppe
6 - Farrington-Kuppe
7 - Kobae-Insel
8 - Tschirwenski-Berg
9 - Wulfmg-Berg
10-Wasserfall
11 - Kulik-Berg
12 - Tschurgim-Fluß
13-KuIikpfad
14 - Rastplatz (Neubau)
15-Flu6Choi
16 - Epizentrum nach Fast
17 - Epizentrum nach Senkin
18 - Epizentram nach Solotow
19-Tscheka-See

Zusammenfassend hat diese erste russisch-deutsche Tunguskameteoriten-Expedition folgendes Material ergeben, dessen wissenschaftliche Auswertung sich uber Jahre erstrecken wird und in die verschiedene Institutionen aus unterschiedlichen Fachgebieten einbezogen werden müssen:
♦ 430 Bohrproben von Torf und Erde für Isotopen- und kosmische Staubunter-suchungen sowie für Mutationsuntersuchungen an Mikroorganismen;
♦ 12 eiszeitliche Knochen fur Aussteliungen;
♦ 3 1/2 Stunden Videofilmaufhahmen fur Informptions-und Werbezwecke;
♦ ca 650 Fotoaufhahmen für Werbezwecke und wisenschaftliche Publikationen sowie für Museen und Aussteliungen;
♦ 17 Gesteinsproben fur Thermoluminiszenzuntersuchungen sowie fur Aussteliungen;
♦ 4 Wasserproben für wissenschaftliche Untersuchungen zu Elementen, zu Isotopen und zu Mikroorganismen;
♦ Ameisenproben aus unterschiedlichen Orten des Epizentrams fur Mutation­ suntersuchungen;
♦ Die Messung der Gammastrablung an Proben und an unterschiedlichen Orten ergab keine Erhöhung der Radioaktivität;
♦ Drack-, Temperatur- und Feuchtigkeitsmessungen für diesen Zeitabschnitt, die im Epizentrum durchgeführt wurden, können zur Auswertung in speziellen Institutionen zur Verfügung gestellt werden;
♦ Eine Koordinatenmessung mit dem GPS x L 1000 erfolgte nur am Ort der Kulikhütte.

Die ersten wissenschaftlichen Untersuchungen wurden zu Fragen von Mutationserscheinungen und Störungen des ökologischen Gleichgewichts infolge der Tunguska-Katastrophe von 1908 an beschalten Amöben in Torfproben sowohl in Moskau als auch in Deutschland gemeinsam unter der Leitung von Herrn Doz.Dr.D. Alexejew durchgeffihlt. Sie haben zu ersten neuen Erkenntoissen geführt. In Torfböden sind abgestorbene Pflanzen, Reste von Tieren sowie Mikroorganismen enthalten, die je nach Tiefe der entsprechenden Torfschicht von der Oberfläche aus betrachtet zu unterschiedlichen Zeiten gelebt haben. Es ist möglich, in Torfschichten stoffliche und energetische Wechselwirkungen von zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissen bei ökologischen Systemen zu untersuchen. Torfschichten enthalten unter anderem auch mikroskopisch kleine Einzeller, wie z.B. beschalte Amöben, die in dieser Umwelt gelebt haben und deren Schalenpanzer im Torf relativ lange erhalten bleiben. Diese Schalenpanzer ermoglichen morphologisch-biologische sowie genetische sowie Wechselwirkungsuntersuchungan und somit auch Informationen zu den Umwelteinfliissen iiber Generationen hinweg. Sie ermöglichen aber auch Erkenntnisse über einzelne Arten, die sogenannten indikatoramOben und damit Kenntnisse zur Geschichte der ökologischen Bedingungen mit ihren unterschiedlichen Etappen in der zeitlichen Entwicklung des Moores. Diese Verfahren erlauben daher, auch einen Beitrag zur Beantwortung von Fragen im Rahmen der Untersuchungen zur Tunguska-Katastrophe zu leisten, insbesondere noch mehr objektiv populations-genetische Folgen zu untersuchen. Hierzu gehören Faktoren, die außer den klimatischen Faktoren in der betreffenden Zeit (Torfschicht) gewirkt haben, wie z.B. topographische Faktoren und Faktoren infolge von Katastrophen.

Wichtige Erkenntnisse erhält man bereits aus den Formen und GroBen der betreffenden Arten in Verbindung mit ihrer Haufigkeit im Auftreten sowie aus den Veränderungen von Form, Größe und Häufigkeit.

Wenn man die Vielfalt der möglichen Elemente in der chemischen Zusammensetzung der Hülle bei beschalten Amöben ermittelt oder innerhalb bestimmter Zeitabschnitte infolge veränderter Umweltbedingungen, beispielsweise ihre Anreicherang in den Panzerschalen, so kann man auch Schlußfolgerungen auf den biologischen Mechanismus bei der Wechselwirkung mit der Umwelt ziehen. Daher kann man diese Organismen auch als paläogeochemische Indikatoren nutzen.

Bisher wurden von uns 265 Torfproben von 13 Orten aus dem Epizentrum der Tunguska-Katastrophe untersucht. Die aus dem Torf entnommenen Bohrkerne wurden vermessen und in 1,5 bis 2,0 cm lange Proben zerschnitten. Dabei hat sich die luftdichte Verpackung in Filmdosen bewährt. Die mikroskopischen Untersuchungen an Bruchteilen dieser Proben erfolgten mit Hilfe der Licht- und der Rasterelektronen-Mikroskopie bei Anwendung standardisierter Verfahren. Zunächst wurde in diesen Torfproben die Häufigkeit von 3 polymorphen Arten der beschalten Amöben in Tiefenrichtung von der Oberfläche aus ermittelt. Insgesamt konnten in den Torfproben etwa 40 Arten von beschalten Amöben mit Varianten hinsichtlich Form und Größe nachgewiesen werden. Die Arten von beschalten Amöben, die in den Proben aus dem Nordmoor sowie entlang dem Kulikpfad gefunden wurden, gehoren zu den oligatrophen und zu den oligamesotrophen Typen, die sich vorzugsweise in mineralischen Gewässern bei ökosystemen entwickeln.

Im Epizentrum von Fast gehoren die nachgewiesenen Typen zu den mesotrophen Stämmen. In den Proben aus dem Südmoor wurden Typen nachgewiesen, die zu den mesotrophen Stämmen gehoren, Die Anzahl der Mikroorganistnen in den Oberflächenbereichen des Torfes aus dem Epizentrum der Tunguska-Katastrophe von 1908 ist bei Vergleich mit den Durchschnittswerten für Proben aus anderen Torfgebieten mit gleichen Bedingungen aber mit weniger extremen Winter-bedingungen hier im Tungaskagebiet wesentlich niedriger. Die Temperatur liegt hier im Januar unmittelbar im Epizentrum meist zwischen - 29°C und - 36°C und die tiefsten Werte können sogar - 61 °C bis - 63 °C erreichen. Diese Temperaturwerte liegen nahe der Grenztemperatur, die von beschalten Аmöbеn uberlebt werden konnen. Außerdem wirkt noch der Fakt, daß aus dern Torf freigelegte beschalte Amöben schlechter überleben als in der Torfschicht, Sie sind besonders anfällig gegen periodisches Einfrieren und Auftauen, Jedoch ebenso wie im ersten Fall, so erfordert die Entnahme von Mikroorgamsmen auch im zweiten Fall eine Überarbeitung der Ergebnisse von der Position der Statistik. Eine vertikale Verteilung von beschalten Amöben ist fur Torfmoore charakteristisch. Jedoch gibt es im Nordmoor eine Torfschicht, die der Katastrophe zugeordnet werden kann und die genau synchron mit verschiedenen Orten eines verstarkten Jungwuchses der Bäume existiert.

Als sehr interessant und bisher noch wenig untersucht ist die Frage über die populationsgenetischen Folgen der Tunguska-Katastrophe. Mit dem Ziel der Erforschung eines Zugangs zu diesen Problemen haben wir 3 polymorphe Arten von beschalten Amöben ausgewählt: Difflugia lobostoma, Centropyxis ecornis und Trigonopyxis arcula. Es wurden deren Haufigkeit sowie selten auftretende Abarten von diesen 3 Amöbenarten in Abhängigkeit von der Tiefe im Moor ermittelt. Die unterschiedliche Tiefe im Moor entspricht unterschiedlichen Zeiten.

Dabei hat sich gezeigt, daß Trigonopyxis arcula charakteristisch ist für die Zeit nach der Katastrophe im Gebiet des Nordmoores sowie für die Orte, die entlang des Kulikpfades gelegen sind. Die anderen beiden Arten sind typisch für das Südmoor. Im Gebiet des Nordmoores konnten die beschalten Amöben vom Тур Trigonopyxis arcula nicht nachgewiesen werden. Es existiert aber im Nordmoor ebenso wie im Siidmoor eine Verteilung der seltenen und von den üblichen Formen sehr abweichenden Formen der beiden polymorphen Amobenarten Centropyxis ecornis und Difflugia lobostroma in Tiefenrichtung des Moores. Die sich nach der Katastrophe ausgebildete Moorschicht besitzt eine wesentlich größere Anzahl von seltenen Amöbenformen, Ihre Anzahl wird in den Oberflächenbereichen des Moores wieder wesentlich geringer.

Man kann diese hier von uns nachgewiesene Erscheimmg so interpretieren, daß durch die Tunguska-Katastrophe Mutationen (Abweichungen von den üblichen Formen) bei einigen der beschalten Amöbenarten auftreten können, deren Anzahl sich aber nach Jahrzehnten wieder verringert. Das entspricht einer erneuten Einstellung des ursprimglichen ökologischen Gleichgewichts bei den Moorbildungsprozessen unter den im Tunguskagebiet vorhandenen Bedingimgen. Die Ursachen für das Auftreten der gefundenen seltenen Formen (genetische Mutationsformen) wird natürlich Gegenstand weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen und Diskussionen im Rahmen der Tunguska-Katastrophe sein. Jedoch ist es dabei notwendig, daß man sich bei den künftigen Untersuchungen darüber klar ist, daß man bei diesen Torfproben ein für die Menschheit bezüglich Ursachen unikales Material hat, das in Laborversuchen kaum wiederholbar hergestellt werden kann. Deshalb muß man sehr vorsichtig an die Interpretation der Ergebnisse herangehen. Fur die künftigen Arbeiten ist es zu empfehlen. Torfproben, auch aus den anderen Orten des Epizentrums der Tunguska-Katastrophe zu entnehmen und die Verteilung horizontal zu untersuchen, urn Schlußfolgerungen fur die vertikale Verteilung als Abbildung einer mögliehen Struktur der am 30.06.1908 explodierten kosmischen Körper zu erhalten. Unbedingt ist dabei eine statistische Auswertung vorzunehmen. Mit Sicherheit wird es so unter Zugrundelegung des von uns erstmals nachgewiesenen Mutationseffektes bei beschalten Amoben durch die Tunguska-Katastrophe noch besser möglich sein, die Situation zu prüfen, ob es am 30.06.1908 im Tunguakagebiet eine natürliche oder eine technogene Katastrophe war. Qualitativ konnte durch unsere erste Ermittlung von chemischen Elementen aus den Schalenpanzern bei den untersuchten Amöben aus dem Epizentram der Tunguska-Katastrophe auch aufgekärt werden, welche chemischen biogenen Folgen die Tunguska-Katastrophe verarsacht hat. Wir haben die chemische Elementezusammensetzung bei einer der Arten im Schalenmaterial ermittelt. Das röntgenographische Spektrum ergab 15 chemische Elemente. Dabei haben unsere Vergleiche ergeben, daß die Mikroorganismen aus der "Katastrophen-Tortschicht" vom Südmoor eine Erhöhung der Konzentration folgender Elemente zeigte: Cl, К und Fe. Die künftigen Untersuchungen zu diesem Fragenkomplex schließen nach unserer Meinung folgende Aufgaben ein:
♦ eine Zusammenstellung von geeigneten Kenngroßen für den biochemischen Austausch mit der Umgebung bei beschalten Amöben;
♦ eine Zusammenstellung von chemischen Elementen, die fur das Überwintern von beschalten Amöben wichtig sind. Sie dringen in die Körper der Amöben ein und können daher durch analytische Methoden nachgewiesen werden.