Ubersicht zu den Ereignissen bei der Tunguskakatastrophe sowie bei der Organisierung der Enthusiastenexpeditionen (KSE)

Die Erscheinung, die später die Bezeichnung "Niedergang des Tunguska-meteoriten" erhalten hat, bekam im Verlaufe von 90 Jahren vielfältige Interpretationen. Man kann sich gut an solche Veroffentlichungen oder Filme erinnern, wie z.B. "Rätsel des Jahrhunderts", "Taiga", "Meteorit oder kosmisches Schiff?", "Kein Meteorit", "Weder Meteorit noch Schiff, "Explosion", "Tunguska-Meteorit gefunden", "Probleme des Tunguska-Meteoriten". Über ihn wurden hunderte wissenschaftliche und tausende populärwissenschaftliche Artikel geschrieben, so z.B. "Wer ist das, dieser Besucher in der Taiga?"

Ungeachtet der Vielfalt von Publikationen enthalten alle eine kurze Wiedergabe des Wesens der Probleme sowie einige Betrachtungen iiber die dramatische Geschichte ihrer Untersuchungen.

In der Früh des 30. Juni 1908 haben einige tausend Bewohner Sibiriens beobachtet, wie am Himmel ein grell leuchtender Кörреr vorbeiflog und aus der Bildfläche in nördliche Richtung vom Beobachter verschwand. Der Vorbeiflug des Körpers. der in einem Abstand von 400 bis 500 km vom Katastrophenort beobachtet wurde, war von einer starken Geräuscherscheinung begieitet, die bis zu fast 1000 km entfernt zu hören war.

Jedoch diejenigen, die sich an der Angara befanden, etwa 200 km vom Katastrophenort entfernt, haben diese Erscheinungen als noch krasser beschrieben. "Am Himmel flog ein Feuerbundel vorbei, auf das zu blicken es schmerzhaft war", "es war ein Grollen gleich einem Kanonendonner zu hören", "Menschen sind umgefallen", "das Wasser in der A-ngara schwoll zu einer großen Welle an", "es wurde Nebel und zum Schluß wieder Licht". Aber diese hier beschriebenen Eindrücke erfolgten in unmittelbarer Nähe vom Epizentram in einem Abstand von etwa 25 bis 35 km.

"Früh morgens, als noch alle schliefen, wurde unser Nomadenzelt (Tschum) durch den Luftdruck umgebrochen. Zusammen mit dem Nomadenzelt wurden auch die Menschen umgeworfen. Einige verloren ihr BewuBtsein. Als sie wieder zu sich kamen, erblickten sie, daß der Wald urn sie herum umgebrochen war und alles was trocken war, brannte, das trockene Gras, der trockene Torf sowie trockenes Holz."

Fast alle Zeitungen in Sibirien berichteten iiber diesen "Flugkörper" mit unterschiedlichen Details. Der Direktor des Irkutsker Observatoriums A.W. Wosnecenski, der mit Hilfe von seismographischen Aufzeichnungen Orte von Erdbeben ermittelte, verschickte an viele Einwohner des Gebietes Anfragen und erhielt etwa von 100 Personen schriftliche Antwort, nicht nur zum Erdbeben sondern auch Einzelheiten zum Überfliegen des Korpers.

In der Mitte der 20iger Jahre betrat L.A. Kulik als erster Wissenschaftler das Katastrophengebiet und im Zusammenhang damit war sein weiteres Schicksal bis zum Lebensende mit dem Tunguskakörper verbunden. Er sah ihn als einen der größten Eisenmeteorite. Er hat als erster das Katastrophengebiet mit seinem radialen Waldumbrach beschrieben, den nicht typischen Brande die dicken Asche enthaltenden Schichten in den Torfgebieten, die durch das Feuer am Ende dtinne trockene Äste ähnlich wie "Vogelkrallen" hatten. Aber den gesuchten Meteoriten hat er nicht gefunden.

In den Jahren von 1930 bis 1940 befaßten sich E.L. Krinow, I.S. Astapowitsch und W. G. Fesenkow sowie auch Wissenschaftler in anderen Ländern mit dem Tunguskaproblem. Als Beispiele seien hier Wiple und Lapace genannt. Daher ist der Tunguskameteorit bis heute aktuell geblieben, insbesondere durch die Publikation von A.P. Kasanzew im Jahre 1946 "Explosion", in der der Autor als Fantast die Tunguskakatastrophe als Zerstorung eines interpianetaren Pvaumschiffes von Marsbewohnern beschrieben hat. Das Fehlen eines Kraters und den im Zentrum stehengebliebenen Wald erklärte er durch eine in einer gewissen Höhe oberhalb der Erdoberfläche erfolgte Atombombonexplosion. fan Ergebnis dessen hat sich auch die Radioaktivität im Katastrophengebiet vergrößert. Aber die Menschen, die sich in derNähe des Epizentrums befanden, sind infolge der Strahleneinwirkung gestorben. Die Mitarbeiter des Meteoritenkomitees haben den Vorschlag von A.P. Kasanzew ausgeschlossen und ihn als nicht kompetent bezeichnet. Es sei alles bewiesen und zu diesem Problem auch alles klar. Es gibt einen Krater, es gibt einen gigantischen Eisenmeteorit, es fehlt jedoch nur an Kraft und Zeit, diesen auszugraben.

Die Diskussion in vielen Zeitungen sowie in populärwissenschaftlichen Zeitschriften war sehr heftig, langwierig, teUs abklingend und teils erneut aufgeflammt, aber keiner der Gutachter fuhr in das Katastrophengebiet zur Überprüfung und zur Bestätigung seiner Hypothese.

Im Jahre 1957 verkilndeten viele Zeitungen und Zeitschriften: "Der Tunguskameteorit wurde gefunden" und zeigten Fotos von kleinen Bruchstücken sowie von einigen magnetischen Kiigelchen, die man in den Proben gefunden hatte, die L.A. Kulik von seinen Expeditionen mitgebracht hatte. Sie wurden in Regalen des Komitees fur Meteorite (KMET) aufbewahrt.

Jedoch Ende des Jahres 1958 wurde unter der Leitung von K.P. Florenski die erste Nachkriegsexpedition in das Gebiet der Tunguskakatastrophe geschickt. Ihre Schlußfolgerung war aber entmutigend. Die Stoffieilchen, die ähnlich denen waren, die im KMET entdeckt wurden, waren weder aus dem Gebiet noch aus den Proben von L.A. Kulik im Archiv. Sie waren nicht entdeckt worden. Es war klar, daB die im Komitee gefundenen Brachstücke und Kügelchen zum Sichote-Alinski-Meteoriten gehörten, der Anfang 1947 niederging, zersägt, befeilt und geschliffen wurde.

Mehr noch, in seinem Artikel schrieb Pawlowitsch Kyrill:"... die Explosion des Meteoriten in der Luft ist nicht bewiesen, obwohl es durch einige Expedition-smitglieder toleriert wurde..."

Das erregte nochmals ein großes Aufsehen, wodurch teilweise zum Vorschlag von A.P. Kasanzew zurückgekehrt wurde.

In dieser Zeit vertrat man die Auffassung, daB gigantische Meteoriten aussehließlich nur Eisenmeteoriten sein кönnеn, aber eine Explosion in der Luft durch ein Stück Eisen unmöglich sei. Alles dieses ereignete sich in der Vorgeschichte und verursachte das Entstehen von Enthusiastenexpeditionen mit komplexen Aufgabenstellungen zur Untersuchung der Probleme des Tunguskameteoriten, wobei Leitung und Zentrum für die Vorbereitung solcher komplexer Enthusiasten­expeditionen imrner in Tomsk waren und sind. Die Teilnehmer an diesen Expeditionen haben sich vorher keiner der bereits existierenden Hypothesen angeschlossen, aber sie überpruften alles, die Radioaktivitat des Gebietes, die chemischen Verun-reinigungen des Bodens, die Baurnbrüche und die Erkrankungen der in diesem Gebiet lebenden Bevwohner (es schien als möglich, daB gemäß der Konzeption von A.P. Kasanzew Strahlenerkrankungen vorlagen), das Entstehen des Feuers und den Bestand von sogenannten "trockenen Flüssen" als Furchen von möglichen FIugkörpern auf den Lakurskibergen. Alles das und vieles andere mehr war im Arbeitsprogramm der ersten Enthusiastenexpedition KSE-1 (1959) enthalten.

Die Ergebnisse waren sehr interessant, aber irgendwie ungewöhnlich. Die Radioaktivität im zentralen Teil des Katastrophengebietes war urn das 1,5-bis 2fache höher, die Umbruchflache hat sich als grofier erwiesen als zuvor angenommen bzw. bekannt war. Es gab auch andere Orte des Niedergangs, die mit dem Ereignis in Verbindung standen, die aber nicht geranden wurden, in denen sogar keine Spuren von Stoffen gefunden wurden, die aber sicher dem Tunguskameteorit zugeordnet werden können. Es war klar, daß im folgenden Jahr eine weitere Expedition in dieses Gebiet geschickt werden muBte, aber im Rahmen ihrer Vorbereitung war es notwendig, verschiedene Fachleute zu konsultieren. In dieser Etappe schien es auch günstig, daß durch diese Enthusiastengrappe enge Kontakte zu fuhrenden Wissenschaftlern des Landes sowie zu einer Reihe von Organisationen geschaffen wurden. Sehr aktive Hilfe gab es von den Akademiemitgliedern S.P. Korelew, I.W. Kurtschatow, L.A. Arzimowitsch, M.A. Leontowitsch, I.E. Tamm, M.A. Lawrentjew, A.A. Trofimuk und vielen anderen. Sie alle halfen bei der Organisierung der Enthusiastenexpedition KSE-2 im Jahre 1960 unter Einbeziehung von Fachleuten auf verschiedenen Spezialgebieten, die betreut wurden und Unterstützung durch die Akadernie der Wissenschaften erhielten. Insbesondere gab es Hiife durch S.P. Koroljow, der sogar zur Durchfuhnmg der Expeditionsarbeiten semen Hubschrauber bereitgestellt hatte.

Die Enthusiastenexpedition KSE-2 erfolgte insbesondere zu solch vertraulichen Fragen wie die Erhöhung der Radioaktivität im Katastrophengebiet, die im Zusammenhang mit dem globalen Niedergang von radioaktiven Niederschlägen nach den Kemwaffenversuchen standen. Dabei wurden Zusammenhänge zum Waldumbrach, zum Brand, zum Stoff verlust des Tunguskameteoriten, zur Art und zur Energie bei der Explosion nicht bis zu Ende aufgeklärt.

Deshalb wurde im folgenden Jahr erneut eine komplexe Expedition gerneinsam mit dem Komitee für Meteorite der Akadereie der Wissenschaften der UdSSR unter der Leitung von K.P. Florenski in das Gebiet geschickt. Es war die Enthusiastenexpedition KSE-3. Die Frage zur Natur dieses Ereignisses wurde erneut nicht geklärt. Man erhielt aber eine Vielzahl neuer Erkenntnisse, nicht weniger als im Jahr zuvor. Danach arbeiteten weitere Enthusiastenexpeditionen, wie die KSE-5, 10, 20 und 30. In die Untersuchungen der Enthusiastenexpeditionen wurden sehr unterschiedliche Fachleute einbezogen, einschließlich auch Ausländer. Es wurden viele Einzelerscheinungen umfassender untersucht. Dabei ist vieles geklärt worden, wie die Tunguskakatastrophe abgelaufen ist, aber was das war, blieb weitgehend unklar.

Wenn es keine Kemexplosion war, so biieb die Frage ungeklärt, woher kam diese große Energie von 30 bis 50 Millionen Tonnen TNT bei der Explosion? Werui dieses aus der kinetischen Energie des bewegten Korpers kam, dann hätte seine Masse Millionen Tonnen betragen miissen. Es wurde aber bisher nicht ein Milligramm gefunden, das eindeutig dem Timguskakörper zugeordnet werden karm. Warom wurde ein örtlich begrenzter Magnetsturm registriert und auch andere Kenngrößen entsprechen gut den Kemwaffenversuchen. Wodurch kann der ungewohnlich helle Himmel in den Nächten vom 30.06. bis 01.07.1908 entstanden sein, der halb Europa erfaBte, und nicht dort und nicht so hätte das Zusammentreffen der Erde mit einem Kometen erfolgen können. Warum werden die Widerspriiche in den Aufzeichnungen vieler Augenzeugen gerade so dargestellt?

Diese nicht all zu komplizierten Fragen erfordern eine Antwort. Dabei wird die Antwort so hinreichend sein, wie die Spuren dieser einzigartigen Katastrophe langsam verwischt sein werden. Wenn man aber jetzt die Spuren nicht sammelt, noch ist es nicht zu spat und ebenso auch alle glaubwürdigen Fakten, die sich auf dieses unikaie Ereignis beziehen, dann wird es fur nachkommende Generationen unmöglich sein, dasungeloste "Ratsel unseres Jahrhunderts" aufmklären. Insbesondere umfassen diese ungelösten Fragen: Warum erfolgte die Tunguskakatastrophe an einem solch ungewohnlichen Ort und warum zu einer so ungewöhnlichen Zeit?
1. Das Zentrum der Katastrophe befmdet sich an einem Ort mit Paläovulkanen. Das erschwert die Interpretation aller geochemischen Anomalien.
2. Fast genau dort befmdet sich die größte Magnetfeldstarke der Erde.
3. Das Territorium der Ewenken ist das am wenigsten besiedelte Gebiet auf unserem Planeten. Daher ist auch niemand, soweit es bekannt wurde, bei dieser Katastrophe umgekommen.
4. Die Zeit der Katastrophe war am 30.06.1908 optimal beziiglich Treibstoff fur den Uberflug eines kosmischen Fluges von der Venus zur Erde. Wenn angenommen wird, daB dieses Raumschiff anfangs vom Mars zur Venus geflogen ist, darm ware eine solche Verbindung angenehm gewesen für die Zeit eines zweimaligen Uberfluges im Verlaufe von 150 Jahren.
5. Prof. Weber von der Universitat Kiel informierte die internationale Fachwelt von den großen Schwankungen des Magnetfeldes der Erde vom 29. bis 30.06.1908, die in der Fran des 30.06.1.908 aufhörten. Diese Tatsache veranlaBte uns, das Archiv von Prof.Weber um Informationen zu bitten. Leider blieb es nicht erhalten, da es durch Bomben des Krieges zerstört wurde. Die anderen MagnetfeldmeBstationen, die mit standardisierten Geräten arbeiteten, haben diese Magnetfeldschwankungen nicht registriert. Nur in Irkutsk erfolgte fast synchron zur Katastrophe eine Aufzeichnung dieser Schwankungen. Es wurde als örtlicher Magnetstrum bezeichnet und entspricht vollständig der Änderung des geomagnetischen Feldes bei der Explosion großer Atombomben.

Der größte Teil der bisherigen Publikationen stellt Widerspruche heraus, zufallige Übereinstimmungen und interessante Vergleiche. Man kann aber bisher noch nicht sagen, was es wirklich genau war oder gar direkt Anleitung zur Tat geben. Immer wird geschlußfolgert: das konnte seih...

G. Plechanow (Rußland)